Nr.4

Künstler

SERGEY BRATKOV

Vor unserem Wohnblock fand ich eines Tages einen Puppenwagen, den jemand weggeworfen hatte. Anstelle der abgefallenen Räder hatte eine liebevolle Hand runde Bierdeckel oder Glasuntersetzer angebracht. Die Deckel waren sorgsam zusammengeklebt und sahen sehr robust und langlebig aus. Ich stellte mir den Vater eines jungen Mädchens vor, wie er von der Arbeit nach Hause kam und diese kleinen Räder aus Untersetzern fertigte, die er aus einer Bar mitgenommen hatte, im fahlen Licht einer Lampe neben seiner Tochter sitzend, die ihm bei der Arbeit zusah und dabei den Atem anhielt.

In meiner frühesten Kindheit war mein Lieblingsspielzeug ein Koch aus Gummi. Er hatte rosa Wangen und trug einen weißen Hut. Ich zahnte offenbar und kaute an den Schuhen des armen Kerls herum. Der Koch konnte nicht länger auf seinen eigenen Füßen stehen. Als ich ein wenig älter war, fertigte ich ihm Krücken aus Drahtkörbchen an, die ich Champagnerflaschen entnommen hatte.

Mithilfe von Verschlüssen von Wodkaflaschen – in meiner Vor-stellung Bezkozyrka-artige Mützen – wurden aus kleinen Soldaten Matrosen. Viertelliterflaschen, sogenannte »Tschekuschkas«, wurden ihrerseits mit schwarzer Gouache angemalt und so zu Mörsern umfunktioniert. Im Malkurs in der Schule fertigten wir unsere sowjetischen Comicfiguren (Krokodil Gena und Tscheburaschka) aus Bierverschlüssen an, aus leeren Bierdosen wurden Weltraumstationen.

Die Welten der Erwachsenen und Kinder lagen dicht beieinan-der. Wir wussten nicht, was Lego war, und hatten sowieso keine Zeit dafür, denn wir waren damit beschäftigt, den Weltraum zu erobern!

Sergey Bratkov