Mit Arbeiten von: Adela Babanova, William Basinski, Marc Bijl, Sergey Bratkov, Esther Ernst, Christian Jankowski, Via Lewandowsky, Gabriel Machemer, Christian Niccoli, Serkan Özkaya, El Seed.
August Hermann Francke schuf in der Zeit um 1700 in der preußischen Provinz von Halle aus ein Reformwerk, das mit seiner internationalen Ausstrahlung, Vernetzung und seiner Wirkung bis heute einmalig ist...
»Gesang und Gehirn« Führung und Gespräch mit Via Lewandowsky.
»Die Künstler griffen die Ideen Franckes auf und brachten sie mit der Realität des 21. Jahrhunderts in Dialog. Was bedeuten Franckes Visionen in unserer globalisierten Gegenwart...«
In der Astrophysik muss man als Erstes unterscheiden zwischen der Astrophysik, der Astronomie im engeren Sinne und der Kosmologie. Die Kosmologie beschäftigt sich mit dem Universum, versucht das Universum zu verstehen in seiner Entwicklung und in seinem Wesen. Die Astrophysik, die von der Astronomie abstammt, versucht das zu verstehen, was wir im Universum finden, also Sterne, Galaxien, Schwarze Löcher – das, was zwischen den Sternen ist. Wir können allerdings die Objekte, die wir studieren, nicht selber manipulieren. Das ist erst einmal ein Handicap auf dem Weg zur Gewissheit. Wenn man etwas manipulieren kann, wenn man interagieren oder gucken kann, wie Objekte auf Einflüsse reagieren, dann hat man das Gefühl, dass man eine Gewissheit zu entwickeln vermag. Das heißt, man versteht die Dinge dann besser. Wir arbeiten hingegen mit Modellen...
Ich habe mich für einen wesenlichen Teil meines Berufslebens mit der Spektroskopie in der Kernfusion beschäftigt. Die Erforschung und wissenschaftliche Arbeiten zur Kernfusion begannen Ende der 1950er Jahre. Die kontrollierte Kernfusion war einmal eine mögliche Alternative als Energiequelle, aber mittlerweile ist sie quasi zu einem Muss geworden. Dabei hat sich die Motivation in den letzten Jahrzehnten deutlich verschoben: »The fast track to nuclear fusion« wurde vor kurzem von Sir David King, dem wissenschaftlichen Ratgeber von Tony Blair, so formuliert...
Nichts ist so gewiss wie der Umstand, dass alles ungewiss ist. Bei einer Vision weiß man nicht, ob es ein psychiatrisch-therapiebedürftiger Ausnahmezustand oder ob es eine verbindliche Vision ist. Offenbar haben sehr viele Leute das Bedürfnis, so etwas wie eine Leitvision zu haben. Man muss sich ja deutlich machen: Vision heißt, einen Zukunftsentwurf zu haben, den man plausibel machen kann. Dem müssen viele zustimmen können, das müssen viele für überzeugend halten. Wir müssen erst einmal eine Gewissheit darüber haben, welche Art von Vision wir brauchen. Ich denke, es gibt schon so etwas wie einen kollektiven Lernprozess, dass man erkennt, dass eine größere Ansammlung von Menschen, die einfach nicht mehr wissen, was sie wollen und wozu sie da sind und ob sie gebraucht werden...
Als Lehrende und als Schreibende verspüre ich gerade unter den jüngeren Generationen die Suche nach Gewissheiten und damit einhergehend auch eine Tendenz stärker in Richtung konservative Wertvorstellungen. Ich mache gerne das Wortspiel: Orientierung kommt von Orient! Man hat immer den Blick gen Osten gerichtet, um sich an neuen Ideen und Gedanken zu orientieren; seien es die Philosophien der Antike, das Alphabet, was auch immer – es kam aus dem Orient! Wir haben in einigen arabisch-islamischen Län-dern der letzten dreißig Jahre Folgendes beobachten können: Auch dort war ein gewisses Vakuum, vor allem ein ideologisches, ein gesellschaftliches, und die Antwort darauf war unter anderem auch der politische Islam. Die Wurzeln sind wohl vielfältig...
Allgemeiner Auffassung nach gibt es heute wenige Gewissheiten. Laut der Meinung vieler zeichnet sich unsere Zeit durch das Schwinden von Gewissheiten, von festen Punkten aus. Das hat natürlich verschiedene Ursachen, dennoch muss man fragen, ob das wirklich so ist. Gewissheiten hängen nach meiner Überzeugung immer mit Weltbildern und mit Weltanschauungen zusammen. Ohne eine entsprechende Weltanschauung gibt es Gewissheiten nicht. So war es auch schon zu Franckes Zeiten. Franckes Gewissheit kam natürlich aus seinem christlich-biblischen Weltbild und das bestimmte sein Leben, sein Denken, sein Handeln und auch seine Visionen. Wenn jetzt jemand ein anderes Weltbild hat...
Wir glauben an mehr Gewissheiten als es tatsächlich gibt. Durch die Stabilität unseres Gesellschaftssystems, für das ich sehr dankbar bin, sind wir sehr stark, glaube ich; aber es ist historisch auch eine sehr ungewöhnliche Situation! Ich bin Westdeutscher, muss man dazusagen, 1964 geboren. Das heißt: Seit ’45 Frieden, Wohlstandsentwicklung ohne große Krisen – darin bin ich aufgewachsen. Das ist eine Kontinuitätserfahrung, die etwas Verführerisches hat. Insofern habe ich eigentlich schon den Eindruck, dass diese Entwicklung nicht endlos sein wird und dass wir allgemein viele Gewissheiten annehmen, die sich doch in dieser, der nächsten oder übernächsten Generation wieder auflösen werden. Es gibt auch ganz klare Punkte, an denen ich das festmache. So erweisen sich beispielsweise bereits Alltagsdinge, mit ein bisschen innerem Abstand betrachtet, weit weniger kontinuierlich, als man denkt...
Große ldeen haben in der Geschichte eine wesentliche Rolle gespielt und werden es auch weiterhin tun. Aber als politisch gestaltende Kraft können sie nur in der Zeit eines revolutionären Umbruches einer Gesellschaft wirken, wenn der leidenschaftliche Glaube an eine bestimmte Idee diejenigen beseelt, welche in Spitzenstellungen des Staates rücken und Macht ausüben können. Jetzt befindet sich die Welt in einem internationalen Vakuum. Die von den USA dominierte Weltordnung des Westens ist nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums zerfallen. Eine neue Weltordnung ist noch nicht entstanden. Es besteht eine Art Interregnum...
Für mich als Künstlerin sind die Begriffe Gewissheit und Vision aneinander gekoppelt – sie sind der Beginn jeder neuen Arbeit, sozusagen der Kern der Sache. Teilweise wartet man ziemlich lange, bis man das Gefühl von Gewissheit darüber hat, wie man anfängt. Daran geknüpft ist auch die Vision, was überhaupt möglich ist. Es gibt nämlich so etwas wie eine Vision für den Sinn: Erst grenzt man das Thema ein bzw. weiß man schon lange, dass man sich damit beschäftigen, aber nicht, wie man es angehen will. Dann gibt es verschiedene Methoden, sich dem anzunähern, um zu dem Punkt der Gewissheit zu kommen, dass das der richtige Ansatz ist, um das Thema aufzufalten. Teilweise passiert es fast nebenbei, dass man plötzlich weiß: Jetzt hab ich’s! Wenn dieser Moment der Gewissheit da ist...